Long Term Incentives – Vorsicht Falle!

Viele Führungskräfte erhalten neben einer jährlichen Grundvergütung variable Entgelte, und zwar sogenannte Short Term Incentives (Bonus bezogen auf ein Geschäftsjahr) und Long Term Incentives (Bonus, der häufig an die Geschäftsentwicklung über mehrere Jahre gekoppelt ist).

Arbeitsrechtlich interessant sind die Long Term Incentive-Zusagen, weil häufig unklar ist, ob der Anspruch der Führungskraft auf Zahlung solcher Boni sich gegen den Vertragsarbeitgeber oder gegen eine Konzernmuttergesellschaft richtet und häufig unklar ist, ob diese Boni als Vergütung im eigentlichen Sinne zu verstehen sind.

Das Bundesarbeitsgericht musste sich im Urteil vom 25. August 2022 (8 AZR 453/21) mit der Frage befassen, ob gewährte Aktienerwerbsrechte einer Konzernobergesellschaft vertragsgemäße Leistungen im Sinne von § 74 Abs. 2 HGB darstellen.

Zum Verständnis: § 74 HGB regelt die Rahmenbedingungen, unter denen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirksam zustande kommen kann. In Absatz 2 dieser Norm wird festgelegt, dass für die Dauer, die sich die Führungskraft vom Wettbewerb fernhalten muss, eine Entschädigung beanspruchen kann, die mindestens die Hälfte der bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogenen vertragsmäßigen Leistungen betragen muss.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Rechtstreit musste also geklärt werden, ob die wirtschaftlichen Vorteile, die sich aus sogenannten Restricted Stock Awards ergeben haben, solche vertragsgemäßen Leistungen sind, mit der Folge, dass diese bei der Ermittlung der Entschädigungszahlung während des Wettbewerbsverbots mitzuberücksichtigen sind.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Leistungen, die von einem Dritten, und sei es eine Konzernmuttergesellschaft, gewährt werden, bei der Berechnung der gesetzlichen Mindestentschädigung im Rahmen einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede nicht zu berücksichtigen sind.

Damit eine Leistung als vertragsmäßig bezeichnet werden kann, muss sie ihren Ursprung im Arbeitsverhältnis der Parteien haben. Der Vertragsarbeitgeber muss die Leistung zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aufgrund des Arbeitsvertrages erbracht haben. Wörtlich hierzu im Urteil:

[…] Bereits der Wortlaut spricht dafür, dass der Begriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ in § 74 Abs. 2 HGB dahin zu verstehen ist, dass es sich um Leistungen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis handeln muss. „Vertragsmäßig“ bedeutet ebenso wie das Adjektiv „vertragsgemäß“ seinem Wortsinn nach „dem jeweiligen Vertrag entsprechend“. […]

Randnummer 28 aus BAG; Urteil vom 25. August 2022, Az. 8 AZR 453/21

Das Urteil bezieht sich nur auf den Sonderfall, dass ein Wettbewerbsverbot vereinbart ist und der sich hieraus ergebenden Frage, welches Entgelt die Führungskraft aufgrund des Anstellungsvertrags bezogen hat. Die gefundenen Rechtssätze wirken aber weit über diesen speziellen Sachverhalt hinaus. Je nach Vertragsgestaltung kann es nämlich passieren, dass der begünstigte Arbeitnehmer seinen Bonus aus einer LTI-Abrede nicht gegenüber seinem Vertragsarbeitgeber geltend machen kann, sondern nur gegen die Konzernmuttergesellschaft. Davon ist dann auszugehen, wenn im Anstellungsvertrag nur auf ein solches LTI-Programm verwiesen wird, aber nicht als vertragsgemäße Leistung in das Beschäftigungsverhältnis einbezogen wird.

Die Zuordnung zur vertragsgemäßen Vergütung wird auch relevant, wenn der Arbeitgeber Entgeltersatzleistungen erbringen muss, wie beispielsweise Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsabgeltung, wenn am Ende des Anstellungsverhältnisses noch nicht genommener Urlaub ausbezahlt werden muss. Das Gleiche gilt bei der Ermittlung der Höhe der Annahmeverzugsvergütung nach einer unwirksamen Kündigung.

Wer in den Fällen, in denen ein LTI-Bonus gewährt werden soll, auf die Vertragsgestaltung Einfluss nehmen kann, sollte darauf hinwirken, dass jedenfalls der Arbeitgeber im Vertrag anerkennt, Leistungen aus dieser Abrede zu schulden, und zwar auch dann, wenn das Bonussystem und/oder die Höhe des Bonus selbst durch eine Konzernobergesellschaft festgelegt wird. Es ist jedenfalls darauf zu achten, dass solche Leistungen Gegenstand des vertraglichen Austauschverhältnisses sind.

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