Ausschlussfristen im Würgegriff des Nachweisgesetzes

Eine Besonderheit im Arbeitsverhältnis besteht unter anderem darin, dass sowohl in Tarifverträgen wie auch in Arbeitsverträgen Ausschlussfristen geregelt sind. Mit solchen Ausschlussfristen soll erreicht werden, dass beide Vertragsparteien innerhalb einer bestimmten Frist (Mindestfrist drei Monate) sich bei der jeweils anderen Vertragspartei melden, wenn Ansprüche bestehen, die trotz Fälligkeit nicht erfüllt wurden. Werden die Ansprüche nicht innerhalb der geregelten Frist geltend gemacht, gehen diese Ansprüche ersatzlos unter. Beispiel: Ein Arbeitnehmer behauptet, einen Anspruch auf Weihnachtsgeld zu haben, das mit der Vergütung für den Monat November zu zahlen gewesen sei. Im Tarifvertrag findet sich eine dreimonatige Ausschlussfrist. Der Arbeitnehmer muss also den Anspruch auf Weihnachtsgeld spätestens bis Ende Februar geltend gemacht haben.

Die Frage, wie Ausschlussfristen verfasst sein müssen, um den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, ist Gegenstand vieler arbeitsrechtlicher Verfahren. Mit dieser Frage wollen wir uns an dieser Stelle nicht näher befassen.

Unser Thema ist der Verstoß des Arbeitgebers gegen die Bestimmungen des Nachweisgesetzes und die sich hieraus ergebenden Folgen auf in einem Tarifvertrag geregelte Ausschlussfrist.

Das Nachweisgesetz bestimmt in § 2 Abs. 1, dass der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederlegen muss, die Niederschrift unterzeichnen muss und dem Arbeitnehmer aushändigen muss. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22. September 2022 – 8 AZR 4/21) gehören Ausschlussfristen zu den wesentlichen Vertragsbedingungen.

Verstößt der Arbeitgeber gegen die Pflicht aus dem Nachweisgesetz, weil er nicht darauf hinweist, dass in dem Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt, in dem eine Ausschlussfristenregelung enthalten ist, muss der Arbeitgeber Schadenersatz an den Arbeitnehmer bezahlen, wenn ein Arbeitnehmer einen Anspruch nur deshalb nicht mehr geltend machen kann, weil er ihn nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht hat. Wörtlich formuliert das Gericht wie folgt:

Kommt der Arbeitgeber mit seiner Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG in Verzug, ist er nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer den dadurch adäquat-kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Der Schadenersatzanspruch ist in Höhe des erloschenen Vergütungsanspruchs begründet, wenn dieser nur wegen der Versäumung der Ausschlussfrist erloschen ist und bei gesetzmäßigem Nachweis seitens des Arbeitgebers nicht untergegangen wäre.

Rn. 17 aus BAG, Urteil vom 22. September 2022, Az. 8 AZR 4/21

Der Arbeitnehmer muss deshalb im Prozess darstellen und nachweisen, dass er von der Ausschlussfrist keine Kenntnis hatte und dass er den Anspruch rechtzeitig geltend gemacht hätte, hätte der Arbeitgeber ihn auf das Bestehen der Ausschlussfrist hingewiesen.

Schließt der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag und ist eine Ausschlussfrist Bestandteil dieses Arbeitsvertrages, kann es nicht zu der Schadenersatzsituation kommen, weil ein schriftlicher Arbeitsvertrag den Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen erbringt, wie es vom Nachweisgesetz verlangt wird. Problematisch wird es jedoch, wenn im Arbeitsvertrag lediglich pauschal darauf verwiesen wird, dass auf das Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt. Dann weiß zwar der Arbeitnehmer, dass es einen Tarifvertrag gibt, der auf das Arbeitsverhältnis wirkt, der Arbeitnehmer weiß aber nicht, dass im Tarifvertrag eine Ausschlussfrist geregelt ist, die er zu wahren hat, wenn er Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen möchte.

Um solche Schadenersatzprozesse zu vermeiden, regen wir an, dass in Arbeitsverträgen ein konkreter Hinweis auf eine Ausschlussfristenregelung in einem in Bezug genommenen Tarifvertrag enthalten ist.

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