Einrichtungsbezogene Impfpflicht – Arbeitsrechtliche Folgen
Ab dem 15. März 2022 gilt eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Arbeitnehmer im Pflege- und Gesundheitssektor. Dies haben Bundestag und Bundesrat am 10. Dezember 2021 durch Erlass des „Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19“ beschlossen. Der neu gefasste § 20a IfSG schreibt vor, dass in bestimmten Einrichtungen tätige Personen entweder geimpft oder genesen sein müssen. Das ist vor allem für die zahlreichen von Caritas und Diakonie sowie von privaten und staatlichen Trägern betriebenen Pflege- und Gesundheitseinrichtungen von Relevanz.
1. Welche Einrichtungen sind betroffen?
Personen, die in Einrichtungen arbeiten, in denen vulnerable Personen betreut werden, müssen ab dem 15. März 2022 geimpft oder genesen sein. Die betroffenen Einrichtungen sind in § 20a Abs. 1 IfSG aufgelistet. Dazu gehören etwa Krankenhäuser, (Zahn-)Arztpraxen sowie Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen.
2. Welche Personen sind betroffen?
Grundsätzlich müssen alle Personen geimpft oder genesen sein, die in einer solchen Einrichtung tätig sind. Die Art der Beschäftigung ist unerheblich. Erfasst sind daher nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch in der Einrichtung tätige Leiharbeitnehmer, Praktikanten, Auszubildende, Ehrenamtliche sowie Personen, die ihren Freiwilligendienst ableisten. Ohne Bedeutung ist, ob diese Personen unmittelbar mit der vulnerablen Gruppe in Berührung kommen, so dass sich § 20a IfSG nicht nur auf Pflege- und Betreuungspersonal, sondern auch auf Hausmeister oder Transport-, Küchen- oder Reinigungspersonal bezieht. Von der Impfpflicht sind nur Personen befreit, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.
3. Nachweispflicht der Arbeitnehmer
Arbeitnehmer müssen ihrem Arbeitgeber einen Impfnachweis, Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis vorlegen, dass wegen einer Kontraindikation eine Impfung ausgeschlossen ist. Die Anforderungen an den Impf- und Genesenennachweis ergeben sich aus der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung. Kommt der Arbeitnehmer dem nicht nach oder hat der Arbeitgeber an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises Zweifel, hat der Arbeitgeber das Gesundheitsamt zu informieren. In datenschutzrechtlicher Hinsicht erlaubt § 20a IfSG dem Arbeitgeber, dem Gesundheitsamt die erforderlichen personenbezogene Daten zu übermitteln. Verliert ein Nachweis seine Gültigkeit, muss innerhalb eines Monats ein neuer Nachweis vorgelegt werden.
§ 20a IfSG unterscheidet zwischen Arbeitnehmern, die am 15. März 2022 bereits in der Einrichtung tätig sind (Altarbeitnehmer) und solchen, die erst ab dem 16. März 2022 tätig werden sollen (Neuarbeitnehmer). Der Impf- oder Genesenennachweis bzw. das ärztliche Attest muss von Altarbeitnehmern spätestens am 15. März 2022, von Neuarbeitnehmern vor Beginn ihrer Tätigkeit vorgelegt werden.
4. Folgen bei Verstößen gegen die (Nachweis-)Pflichten
a) Beschäftigungsverbot und Vergütungspflicht
Erbringen Arbeitnehmer den Nachweis ihrer Impfung oder Genesung nicht, fragt sich, welche Konsequenzen drohen. Auch hier ist die Unterscheidung zwischen Alt- und Neuarbeitnehmern von Belang.
Neuarbeitnehmer, deren Tätigkeit in der Einrichtung ab dem 16. März 2022 beginnt, unterliegen einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot (§ 20a Abs. 3 S. 4 IfSG). Infolgedessen verliert dieser Personenkreis seinen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Auf die Wirksamkeit des geschlossenen Arbeitsvertrags hat das Beschäftigungsverbot keinen Einfluss. Zu beachten ist aber, dass die oberste Landesgesundheitsbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle eine Ausnahme vom Beschäftigungsverbot zulassen kann, wenn das Paul-Ehrlich-Institut auf seiner Internetseite einen Lieferengpass zu allen Impfstoffen mit einer Komponente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2, die für das Inverkehrbringen in Deutschland zugelassen oder genehmigt sind, bekannt gemacht hat.
Für Altarbeitnehmer, die bereits am 15. März 2022 in der Einrichtung beschäftigt sind, sieht das Gesetz kein Beschäftigungsverbot vor. Trotzdem riskieren Altarbeitnehmer bei Verletzung ihrer Nachweispflicht ihren Vergütungsanspruch. Das Gesundheitsamt kann auch von Altarbeitnehmern einen Impf- oder Genesenennachweis verlangen und bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des Nachweises eine ärztliche Untersuchung anordnen. Legt der Arbeitnehmer den vom Gesundheitsamt angeforderten Nachweis nicht innerhalb einer angemessenen Frist vor, kann dieses das Verbot aussprechen, die Einrichtung zu betreten oder dort tätig zu sein. In diesem Falle ist dem Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich, so dass sein Vergütungsanspruch nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt.
b) Abmahnung und Kündigung
Die Frage nach dem Impf- bzw. Genesenenstatus ist zulässig. Beantwortet der Arbeitnehmer sie wahrheitswidrig, kann das eine (außerordentliche) Kündigung rechtfertigen. Weigert sich der Arbeitnehmer die Frage zu beantworten, kann das eine Abmahnung und bei fortdauernder Weigerung eine Kündigung nach sich ziehen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer seinen Impf- oder Genesenennachweis nicht oder nicht rechtzeitig vorlegt.
Fraglich ist, welche Sanktionsmöglichkeiten dem Arbeitgeber offenstehen, wenn sich der Arbeitnehmer weigert, sich impfen zu lassen. Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt nur in Frage, wenn dem Arbeitnehmer eine arbeitsvertragliche Pflicht zur Impfung obliegt. Ob dem so ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Eine personenbedingte Kündigung ist denkbar, wenn der Arbeitnehmer einem Tätigkeitsverbot unterliegt. Ob die für die Kündigung erforderliche negative Prognose vorliegt, ist eine Frage der Einzelfallumstände und insbesondere davon abhängig, ob es anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten gibt und wie lange der Arbeitnehmer einem Tätigkeitsverbot unterfällt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Geltung des § 20a IfSG bis zum 31. Dezember 2022 befristet ist.
c) Ordnungswidrigkeiten
Bei Verstößen gegen die in § 20a IfSG enthaltenen Pflichten kann sowohl gegen den Arbeitgeber als auch gegen den Arbeitnehmer eine Geldbuße verhängt werden. Eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße bis zu 2.500 € geahndet werden kann, liegt insbesondere vor, wenn
- die Einrichtung bei Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises das Gesundheitsamt nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig benachrichtigt,
- die Einrichtung einen Neuarbeitnehmer trotz des gesetzlichen Beschäftigungsverbots beschäftigt,
- ein Neuarbeitnehmer trotz eines Beschäftigungsverbots in einer Einrichtung tätig wird,
- die Einrichtung oder der Arbeitnehmer ein vom Gesundheitsamt angeordnetes Beschäftigungs- oder Betretungsverbot missachtet und
- ein Arbeitnehmer gegenüber dem Gesundheitsamt den angeforderten Impf- oder Genesenennachweis nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt.