Der leitende Angestellte

In vielen Kündigungsschutzprozessen wird mit harten Bandagen um die Frage gestritten, ob der gekündigte Arbeitnehmer leitender Angestellter war. Ein neuer Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 04. Mai 2022 (7 ABR 14/21) gibt Anlass, sich mit dem Thema vertiefter zu befassen.

Das Problem

Leitender Angestellter ist nicht gleich leitender Angestellter. Das Gesetz kennt zwei Typen des leitenden Angestellten, und zwar einmal den leitenden Angestellten nach dem Betriebsverfassungsrecht und zum anderen den leitenden Angestellten nach dem Kündigungsschutzgesetz. Die Besonderheiten bei der Kündigung eines leitenden Angestellten liegen kündigungsschutzrechtlich darin, dass der Arbeitgeber auch im Falle einer unwirksamen Kündigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchsetzen kann. Der Arbeitgeber hat im Prozess die Möglichkeit, einen Auflösungsantrag zu stellen, den er nicht zu begründen braucht. Das Arbeitsgericht muss auf diesen Antrag hin das Arbeitsverhältnis zum Kündigungstermin beenden und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verurteilen. Das Arbeitsgericht ist dabei an die im Gesetz vorgesehenen Höchstgrenzen gebunden, die je nach Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit variieren. Ist ein Arbeitnehmer unter betriebsverfassungsrechtlichen Aspekten leitender Angestellter, führt dies zu einer ganzen Reihe von Vorteilen für das Unternehmen. Im Falle einer Kündigung bedarf es nicht der Anhörung des Betriebsrates und damit verbundener Fehlerquellen. Die mit dem Betriebsrat geschlossenen Betriebsvereinbarungen finden auf leitende Angestellte keine Anwendung. Das Gleiche gilt für Tarifregelungen. Sogar die Höchstarbeitszeitgrenzen und die Mindestruhezeiten, die das Arbeitszeitgesetz vorsehen, behindern das Leistungsbedürfnis des Arbeitnehmers nicht.

Wer ist leitender Angestellter?

Ob jemand leitender Angestellter ist, ist anhand der gesetzlichen Kriterien zu entscheiden. Die Arbeitsvertragsparteien können dies nicht im Arbeitsvertrag verbindlich regeln.

Leitender Angestellter im kündigungsschutzrechtlichen Sinne ist nach § 14 Abs. 2 KSchG der einem Geschäftsführer oder Betriebsleiter ähnliche Angestellte, soweit dieser zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist. Es sind zwei Kriterien, die zusammentreffen müssen, und zwar:

  • Der Angestellte muss Führungsaufgaben wahrnehmen, die einem Geschäftsführer oder Betriebsleiter ähnlich sind, so z. B. Leiter einer kaufmännischen oder technischen Abteilung.
  • Der Arbeitnehmer muss eine Entlassungs- oder Einstellungsbefugnis haben. Diese Befugnis muss sowohl im Außen- wie auch im Innenverhältnis bestehen. Eine selbstständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis liegt nur dann vor, wenn dem Angestellten die alleinige Entscheidungsbefugnis vorbehalten bleibt. Diese Befugnis muss sich auf eine bedeutsame Anzahl von Beschäftigten beziehen.

Der Arbeitnehmer, der nach den Kriterien des § 14 Abs. 2 KSchG leitender Angestellter im kündigungsschutzrechtlichen Sinne ist, kann auch leitender Angestellter im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne sein, muss es jedoch nicht. Das Betriebsverfassungsgesetz definiert in § 5 Abs. 3 und 4 eigenständig, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer leitender Angestellter ist.

Im Einzelnen:

Berechtigung zur selbstständigen Einstellung und Entlassung

Leitender Angestellter ist, wer zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist. Der Unterschied zur Definition in § 14 Abs. 2 KSchG liegt darin, dass betriebsverfassungsrechtlich eine kumulative Berechtigung vorliegen muss, im kündigungsschutzrechtlichen Sinne genügt die alternative Berechtigung.

Gerade zu diesem Kriterium hat sich das Bundesarbeitsgericht geäußert und stellt dar, dass durch die Übertragung der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis auf einen Angestellten, diesen zum Repräsentanten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat macht. Diese Repräsentantenfunktion tritt erst ein, wenn die Personalkompetenz nicht nur von untergeordneter Bedeutung für den Betrieb ist und liegt regelmäßig nicht vor, wenn nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern aufgrund dieser übertragenen Kompetenz eingestellt oder entlassen werden. Wörtlich: Die für die Stellung eines leitenden Angestellten erforderliche unternehmerische Personalverantwortung liegt nur dann vor, wenn die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis gerade für einen für das Unternehmen qualitativ bedeutsamen Personenkreis besteht. Die Personalkompetenz muss sich deshalb auf Arbeitnehmer erstrecken, die entweder hochqualifizierte Tätigkeiten mit entsprechenden Entscheidungsspielräumen ausüben oder einen für das Unternehmen herausgehobenen Geschäftsbereich betreuen.

Erteilung einer Generalvollmacht oder Prokura

Leitender Angestellter ist auch der Arbeitnehmer, dem Generalvollmacht oder Prokura erteilt wurde, wobei die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend sein darf. Ob dem Arbeitnehmer Einzel- oder Gesamtprokura erteilt wird, ist zunächst ohne Bedeutung. Bedeutend ist die Prokura dann, wenn der Arbeitnehmer unternehmerische Leitungsfunktionen wahrnimmt und die sich aus der Prokura ergebende Entscheidungsbefugnis im Innenverhältnis nicht wesentlich eingeschränkt wird. Die Prokura ermächtigt nach § 49 HGB zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen des Unternehmens. Ergänzend bestimmt § 50 HGB, dass eine Beschränkung des Umfangs der Prokura Dritten gegenüber unwirksam ist.

Beschränkt der Arbeitgeber im Innenverhältnis das durch die Prokura erteilte Vertretungsrecht, ist die Prokura nicht mehr wesentlich im Sinne des gesetzlichen Kriterienmerkmales.

Wahrnehmung einer bedeutsamen Aufgabe

Das dritte in § 5 Abs. 3 BetrVG aufgeführte Kriterium ist gespickt von unbestimmten Rechtsbegriffen und in der Praxis schwer handhabbar. Nach diesem Kriterium sind leitende Angestellte Mitarbeiter, die Aufgaben wahrnehmen, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens von Bedeutung sind, die besondere Erfahrungen und Kenntnisse mitbringen und im Wesentlichen frei von Weisungen ihre Entscheidungen treffen. Von daher kommen nur solche Mitarbeiter in Betracht, die der Unternehmensleitung aufgrund ihrer Tätigkeit und wegen der Bedeutung ihrer Funktion nahestehen. Kennzeichen unternehmerischer Leitungsaufgaben ist das Treffen von Entscheidungen. Der leitende Angestellte muss Entscheidungsfreiheit genießen. Wer lediglich unternehmerische Entscheidungen durchführt, nimmt keine unternehmerische Leitungsaufgabe wahr.

Die Erfahrung aus der gerichtlichen Praxis zeigt, dass auf der Grundlage dieses Kriteriums nur wenig Mitarbeiter im Unternehmen als leitende Angestellte qualifiziert werden. Die Arbeitgeber sind in ihrer Einschätzung weit großzügiger, können am Ende jedoch sich bei Gericht mit ihrer Auffassung nicht durchsetzen.

Fazit

Die Interessenlage der Arbeitgeber liegt auf der Hand und ist dargestellt. Während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses genießen Arbeitnehmer häufig den Status eines leitenden Angestellten und grenzen sich damit gerne gegenüber den Mitarbeitern ab. Im Kündigungsschutzprozess wollen sie jedoch – meistens nach Beratung durch den Rechtsanwalt – hiervon nichts mehr wissen. Geht der Arbeitgeber mit der Überzeugung in den Konflikt, der Arbeitnehmer sei leitender Angestellter, wird er häufig bei Gericht eine böse Überraschung erleben.

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