Fristlose Kündigung eines Betriebsrats wegen Datenschutzverstoß

In einem aufsehenerregenden Verfahren hat das LAG Baden-Württemberg die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds der Robert Bosch GmbH bestätigt.

Was war passiert?

Das Betriebsratsmitglied (Kläger) war seit September 1997 bei der Robert Bosch GmbH (Beklagte) als Entwicklungsingenieur am Standort Feuerbach beschäftigt. Seit 2006 war er Mitglied des Betriebsrats. Die Robert Bosch GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos am 18. Januar 2019, nachdem der Kläger die Prozessakten einschließlich der Schriftsätze der Beklagten aus einem vorherigen Kündigungsschutzverfahren zwischen den Parteien veröffentlicht hatte.

Das Unternehmen begründete die erneute Kündigung unter Hinweis auf diesen Vorgang mit dem Argument, dass der Kläger gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts verstoßen habe. In den Schriftsätzen der Beklagten seien auch personenbezogene Daten, insbesondere auch Gesundheitsdaten, weiterer Mitarbeiter der Beklagten unter voller Namensnennung enthalten gewesen. Diese personenbezogenen Daten habe der Kläger einem größeren Verteilerkreis mithilfe eines Zugriffs auf eine sogenannte Dropbox offenbart.

Der Kläger hat im Prozess dagegen eingewendet, dass es keine Vorschrift gebe, die es gebiete, Prozessakten geheim zu halten. Ein Datenschutzverstoß sei auch deshalb nicht gegeben, weil er ausschließlich im Rahmen „persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ gehandelt habe (Art. 2 Abs. 2 Buchst. c) DSGVO). Die DSGVO finde dementsprechend keine Anwendung.

Der Betriebsrat hat der Kündigung des Klägers nach § 103 BetrVG zugestimmt.

Arbeitsgericht Stuttgart weist Kündigungsschutzantrag schon in erster Instanz ab

Schon das Arbeitsgericht Stuttgart ging davon aus, dass die fristlose Kündigung auf einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB gestützt werden kann und wies daher den Kündigungsschutzantrag des Klägers mit Urteil vom 04. August 2021 (Az. 25 Ca 1048/19) ab. Dabei folgte das Arbeitsgericht der Begründung der Robert Bosch GmbH und betonte, dass der Kläger auch nach der Auffassung der 25. Kammer mit der Veröffentlichung weiter Teile der Prozessakten durch die Zurverfügungstellung des Dropbox-Links in rechtswidriger Weise gegen Bestimmungen des Datenschutzrechts verstoßen habe.

LAG Baden-Württemberg bestätigt: Fristlose Kündigung ist wirksam!

Das LAG Baden-Württemberg hat die Entscheidung des Arbeitsgericht Stuttgart nun mit Berufungsurteil vom 25. März 2022 bestätigt (Az. 7 Sa 63/21). In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es dazu:

„[…] Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte Schriftsätze der
Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener
Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwen-
dung eines zur Verfügung gestellten Links offenlegt und dadurch auch die Weiterverbreitungs-
möglichkeit eröffnet, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig
und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Perso-
nen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten gerechtfer-
tigt ist. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers lag jedenfalls insofern nicht vor,
als die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts am Tage der Zurverfügungstel-
lung des Links noch nicht vorlagen und dem Kläger auch noch die Möglichkeit offenstand, ge-
gen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung einzulegen, um in diesem Verfahren seinen
Standpunkt darzulegen. […]“

Fazit

Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg zeigt plakativ auf, dass Datenschutzverstöße auch im Arbeitsverhältnis keine Bagatelldelikte sind und in schwerwiegenden Fällen auch eine außerordentliche fristlose Kündigung nach sich ziehen können. Das gilt insbesondere dann, wenn besondere Datenkategorien im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO betroffen sind oder aus anderen Gründen eine erhebliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten Dritter droht. Das ist im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechtsschutzes auch konsequent. Eine höchstrichtliche Befassung mit dem Fall wäre sehr wünschenswert.

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