Urlaub ist keine Arbeit! So das Bundesarbeitsgericht in seiner aktuellen Entscheidung zum Befristungsrecht
Keine Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses bei Erteilung von Urlaub nach Ablauf der Befristung. Das entschied das Bundesarbeitsgericht ist seiner Entscheidung vom 09. Februar 2023 (Az. 7 AZR 266/22).
Sachverhalt
Geklagt hatte ein Angestellter der Deutschen Bundespost. Die Parteien hatten einen Arbeitsvertrag für den Zeitraum vom 01. August 2019 bis 30. September 2020 geschlossen. Am 09. September 2020 hat die Beklagte über das Personalportal beim Kläger für den Zeitraum 01. bis 31. Oktober 2020 Urlaub eingetragen. Dies veranlasste den Kläger anzunehmen, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gelte gemäß § 15 Abs. 6 TzBfG n.F. als auf unbestimmte Zeit verlängert, da es nach Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt worden ist. Der Angestellte erhob Klage.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht erteilte der Auffassung des Klägers eine Abfuhr. Das Gericht stellte klar, dass sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht ab dem 01. Oktober 2020 gemäß § 15 Abs. 6 TzBfG auf unbestimmte Zeit verlängert. Urlaub ist keine Arbeit, so die Auffassung des Senats. § 15 Abs. 6 TzBfG setze die Erbringung einer Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer voraus. Dafür sei die tatsächliche Ausführung der vertragsgemäßen Dienste nach Ablauf der Vertragslaufzeit durch den Arbeitnehmer erforderlich. Vor diesem Hintergrund reiche es nicht aus, dass der Arbeitgeber einseitig Leistungspflichten erfülle, ohne die Gegenleistung des Arbeitnehmers tatsächlich in Anspruch zu nehmen.
Der Senat stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf die folgenden Argumente:
- Vor dem Inkrafttreten des TzBfG war die Fortsetzung des befristeten Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der vereinbarten Vertragszeit einheitlich in § 625 BGB geregelt. Nach ständiger Rechtsprechung war der Tatbestand dieser Norm nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses Urlaub erhält.
- Die Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 6 TzBfG (BT-Drs. 14/4374 S. 21) nimmt auf § 625 BGB Bezug und stellt klar, dass mit § 15 Abs. 6 TzBfG kein von § 625 BGB abweichender Regelungsinhalt festgelegt ist. Die bisherige Rechtsprechung zu § 625 BGB ist daher entsprechend heranzuziehen.
- Der Sinn und Zweck der in § 15 Abs. 6 TzBfG niedergelegten Regelung ist dahingehend auszulegen, dass für die Fortsetzung des befristeten Arbeitsverhältnisses sowohl der Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber Leistungen erbringen müssen. Der Arbeitnehmer in Form der Arbeitsleistung, der Arbeitgeber in Form der Vergütungsleistung.
- Mit Blick auf die Normsystematik setze § 15 Abs. 6 TzBfG eine Fortsetzung „mit Wissen des Arbeitgebers“ voraus. Vereinfacht gesagt, bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung tatsächlich erbringen muss.
Welche Erkenntnis können wir aus der Entscheidung festhalten?
Arbeitnehmer erbringen dadurch, dass sie sich im gewährten Urlaub erholen, keine vertraglich geschuldete Leistung. Ihnen ist zwar eine dem Urlaubszweck zuwiderlaufende Erwerbstätigkeit nach § 8 BurlG untersagt. Eine Verpflichtung zur Erholung trifft sie aber dennoch nicht. Daher liegt in der Inanspruchnahme von Urlaub keine Erbringung einer arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung.
Und was ist mit sonstigen einseitigen Leistungen des Arbeitgebers?
Abgesehen von der Urlaubsgewährung erfüllen auch sonstige einseitige Leistungen eines Arbeitgebers nicht die Voraussetzungen der gesetzlichen Fiktion des § 15 Abs. 6 TzBfG. Dies gilt beispielsweise für die Erteilung eines Zwischenzeugnisses, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder die Gewährung von Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit. Hierin kann allenfalls im Einzelfall ein Angebot des Arbeitgebers auf unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses liegen. Die Voraussetzungen der gesetzlichen Fiktion vermag es aber nicht zu erfüllen.