Gleiche Arbeit, gleicher Lohn? Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen

Frauen haben in Deutschland im Jahr 2021 im Durchschnitt 18% weniger verdient als Männer (vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023). Dieser Entgeltunterschied basiert zwar nicht ausschließlich auf dem Geschlecht, sondern auf vielfältigen Ursachen, wie beispielsweise auf unterschiedlichen Erwerbsbiografien oder auf der unterschiedlichen Wahl von Berufsfeldern (unbereinigte Gender Pay Gap). Aber selbst bei gleicher formaler Qualifikation und im Übrigen gleichen Merkmalen beträgt der statistisch messbare Entgeltunterschied 6% (bereinigte Gender Pay Gap).

Mit Blick auf die Statistik hat sich die Ampel-Koalition zum Ziel gesetzt, diese Lohnlücke zu schließen. Im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ heißt es auf Seite 115 auszugsweise:

„Wir wollen die Lohnlücke zwischen Frauen und Männer schließen. Deshalb werden wir das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickeln und die Durchsetzung stärken, indem wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, ihre individuellen Rechte durch Verbände im Wege der Prozessstandschaft geltend machen zu lassen.“

Auszug Seite 115 des Ampel-Koalition-Vertrags

Das Recht von Männern und Frauen auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist seit vielen Jahrzehnten ein wichtiges Thema im Rahmen der Gesetzgebung. Am 25. März 1957 schrieb erstmals Art. 119 EWG den Grundsatz gleichen Entgelts für Frauen und Männer fest. Das Thema hat seither nicht an Präsenz verloren. Das zeigt nicht nur die dargelegte Statistik, sondern auch die Entwicklung in der Rechtsprechung auf Europa- und Bundesebene.

Der Beitrag soll vor dem Hintergrund der Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtsprechung einen Überblick über das Thema Entgeltungleichbehandlung verschaffen.

Das Entgelttransparenzgesetz – der Weg zum Ziel?

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) verfolgt das Ziel, das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen.

Für die Koalition ist die Weiterentwicklung des EntgTranspG daher ein wichtiger Schritt, dieses Ziel zu erreichen. Wie die Weiterentwicklung konkret aussieht, lässt der Koalitionsvertrag offen. Zu erwarten ist, dass das EntgTranspG den Betroffenen ein zusätzliches Instrumentarium zur Verfügung stellt, mit dessen Hilfe die bestehende faktische Ungleichheit beseitigt oder zumindest verringert wird. Wie dies ausgestaltet sein soll, ist derzeit ungewiss.  

Im Wesentlichen hat das EntgTranspG den Beschäftigten bisher das folgende Instrumentarium an die Hand gegeben:

  • den individuellen Auskunftsanspruch nach den §§ 10-16 EntgTranspG,
  • das betriebliche Prüfverfahren nach den §§ 17-20 EntgTranspG sowie
  • die Berichtspflicht nach den §§ 21, 22 EntgTranspG.  

Basis für die Durchsetzung der Entgeltgleichheit ist der Auskunftsanspruch. Beschäftigte können mit diesem Anspruch den Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts der Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts, die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit verrichten, in Erfahrung bringen.

Die Evaluierung des EntgTranspG zwei Jahre nach dessen Inkrafttreten hat jedoch gezeigt, dass der Auskunftsanspruch keine große praktische Relevanz hat. Es waren nur etwa 1.400 Auskunftsverlangen zu verzeichnen. Hauptgrund hierfür dürfte gewesen sein, dass das EntgTranspG keine Regelungen dazu enthält, welche Rechtsfolgen sich aus einer erteilten Auskunft des Arbeitgebers ergeben können. Es enthält insbesondere keine Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens um eine höhere Vergütung wegen eines Verstoßes gegen das Entgeltgleichheitsgebot. Selbst wenn die erteilte Auskunft ergab, dass der Entgeltmedian der jeweils anderen geschlechtlichen Vergleichsgruppe höher war, gelang es dem Auskunftsverlangenden allein mit der erteilten Auskunft nicht, den Kausalzusammenhang zwischen Geschlecht und der Entgeltbenachteiligung zu beweisen. Die Beweislast für das Vorliegen einer Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts trifft den Beschäftigten, der eine solche Diskriminierung behauptet. Es ist seine Aufgabe, darzulegen und zu beweisen, dass sein Arbeitgeber ihm ein niedrigeres Entgelt zahlt als seinen zum Vergleich herangezogenen Kollegen und dass er die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichtet, sodass er dem ersten Anschein nach Opfer einer Entgeltdiskriminierung aufgrund des Geschlechts ist. Dieser Grundsatz zur Darlegungs- und Beweislast ergibt sich aus dem Verweis in § 2 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG auf § 22 AGG.

Das Entgelttransparenzgesetz in der Rechtsprechung des 8. Senats des BAG

Das Thema nimmt derzeit nicht nur in der Politik Fahrt auf, auch die Rechtsprechung beschäftigt sich intensiv damit. Der 8. Senat hat in den vergangenen drei Jahren das Thema regelmäßig aufgegriffen und wegweisende Entscheidungen getroffen.

Wer wird vom persönlichen Anwendungsbereich des EntgTranspG erfasst?

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25. Juni 2020 (Az. 8 AZR 145/19) klargestellt, dass die Begriffe „Arbeitnehmerin“ und „Arbeitnehmer“ im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 EntgTranspG nicht nach rein nationalem Rechtsverständnis ausgelegt werden können. Die Begriffe sind vielmehr unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmerbegriff der Richtlinie 2006/54/EG auszulegen.

Daher können auch arbeitnehmerähnliche Personen Arbeitnehmerinnern beziehungsweise Arbeitnehmer im Sinne des EntgTranspG sein. Voraussetzung ist, dass ihr Beschäftigungsverhältnis die wesentlichen Merkmale des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs der Richtlinie 2006/54/EG erfüllt. Dabei ist der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff anhand objektiver Kriterien zu bestimmen, die das Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Rechte und Pflichten der Betroffenen kennzeichnen. Erbringt eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält, sind die Kriterien des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs erfüllt.

Wie ist die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen einer Entgeltgleichheitsklage?

Das Bundesarbeitsgericht machte in seiner Entscheidung vom 21. Januar 2021 (Az. 8 AZR 488/19) den Auskunftsanspruch des § 10 Abs.1 EntgTranspG zu einem schlagkräftigen Instrument zur Durchsetzung von Entgeltgleichheitsansprüchen.

Mit Blick auf die Darlegungs- und Beweislast stellte der 8. Senat klar, dass im Rahmen einer Entgeltgleichheitsklage die Beweislasterleichterung des § 22 AGG greift. Nach der Auffassung des Senats handele es sich bei der Beweisregelung in § 22 AGG um eine zwingende Vorgabe des Unionsrechts in Diskriminierungsfällen. Die Anwendbarkeit dieser Beweisregelung habe der Gesetzgeber zudem durch die Verweisung in § 2 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG  zum Ausdruck gebracht, wonach die Regelungen des AGG unberührt bleiben. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Beweislastverteilung bei Entgeltgleichheitsklagen wie folgt dar:

Die Klägerin beziehungsweise der Kläger muss darlegen, dass sie/er eine geringere Vergütung als die zum Vergleich herangezogenen Mitarbeiter des jeweils anderen Geschlechts erhält und dass die herangezogene Vergleichsgruppe die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit verrichtet. Dies gelingt den Betroffenen mithilfe des Auskunftsanspruchs aus § 10 Abs.1 EntgTranspG. Im Hinblick auf die Kausalität zwischen Geschlecht und Benachteiligung findet sodann § 22 AGG zugunsten des vermeintlichen Diskriminierungsopfers Anwendung. Die Vorschrift begründet insoweit eine zweistufige Beweiserleichterung. Es genügt, wenn das vermeintliche Diskriminierungsopfer Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vermuten lassen, dass die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfolgte. Gelingt dem Diskriminierungsopfer dieser Vortrag, tritt auf der zweiten Stufe eine Beweislastumkehr ein. Es obliegt im nächsten Schritt dem Arbeitgeber, den Vollbeweis dafür zu erbringen, dass ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.

In der aktuellen Entscheidung vom 16. Februar 2023 (Az. 8 AZR 450/21) knüpft der Senat an seine wegweisende Entscheidung aus dem Jahr 2021 an. Er stellt klar, dass sich Arbeitgeber insbesondere nicht darauf berufen können, die höhere Vergütung des zum Vergleich herangezogenen Mitarbeiters des anderen Geschlechts beruhe auf dem Umstand, dass dieser Mitarbeiter ein höheres Entgelt ausgehandelt habe. Ebenso wenig können sich Arbeitgeber darauf berufen, der vergleichbare Mitarbeiter sei einem besser vergüteten ausgeschiedenen Mitarbeiter nachgefolgt.

Insoweit folgt der 8. Senat in den Fällen der Entgeltungleichbehandlung im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes der Linie des Bundesarbeitsgerichts zur Verteilung der Darlegungslast bei (behaupteten) Verstößen gegen den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Hiernach muss der Arbeitnehmer zunächst nur darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass der Arbeitgeber einer Gruppe von Arbeitnehmern Leistungen gewährt, die er selbst nicht erhält. Es obliegt sodann dem Arbeitgeber, die Behauptung einer unzulässigen Ungleichbehandlung zu entkräften, indem er die Gründe für die unterschiedliche Behandlung und damit die Kriterien für die vorgenommene Gruppenbildung offenlegt (BAG 12. Oktober 2022 – 5  AZR 135/22).

Fazit

Bisher lag die Schwierigkeit von Entgeltgleichheitsklagen darin, den Nachweis über ausreichende Indizien im Sinne von § 22 AGG zu erbringen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 2021 erleichtert die Darlegungslast der Klägerinnen und Kläger erheblich. Gleichzeitig schaffte das Bundesarbeitsgericht mit dieser Entscheidung hohe Hürden für Arbeitgeber. Eine Auskunft gemäß des Entgelttransparenzgesetzes kann Arbeitgeber künftig unter einen erheblichen Rechtfertigungsdruck bringen. Ihnen ist daher zu empfehlen, bestehende Entgeltsysteme und einzelfallbezogene Entgeltregelungen vor dem Hintergrund möglicher Benachteiligungen wegen des Geschlechts dahingehend zu überprüfen, ob Abweichungen durch objektive Kriterien, die nicht mit dem Geschlecht zusammenhängen, gerechtfertigt sind.

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