Altersgrenzen für Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte

Der Europäische Gerichtshof schreibt wieder einmal Rechtsgeschichte. Dem Urteil vom 02. Juni 2022 (C-587/20) lag ein Vorabentscheidungsersuch des Landgerichts für Ostdänemark zugrunde. Im Verfahren ging es um die Frage, ob die Satzung einer Gewerkschaft wirksam ist, soweit dort geregelt ist, dass nur derjenige zum Vorstand gewählt werden könne, der das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Kernaussagen des EuGH

Der Europäische Gerichtshof hat dieses Verfahren genutzt, um einige wichtige Aussagen zu treffen, und zwar:

  • Die Festlegung einer Altersgrenze stellt eine „Bedingung für den Zugang zur Beschäftigung“ dar im Sinne der Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78.
  • Die Richtlinie erfasst sowohl die unselbstständige wie auch die selbstständige Erwerbstätigkeit. Sie ist keinesfalls auf Arbeitsverhältnisse begrenzt. Vielmehr ist der Zweck der Richtlinie auf die Beseitigung aller auf Diskriminierungsgründe gestützter Hindernisse für den Zugang zu Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Fähigkeit, durch Arbeit, egal in welcher Rechtsform, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.
  • Es kommt nicht darauf an, wie jemand in eine Funktion kommt, durch Bestellung, Anstellungsvertrag oder durch Wahl.

Diese Aussagen haben erhebliche Bedeutung auf Bestimmungen, wonach Personen, die ein bestimmtes Lebensalter überschritten haben, nicht mehr zum Aufsichtsrat, zum Vorstand oder zum Geschäftsführer bestellt werden können. Das Alter einer Person darf kein Differenzierungsmerkmal sein.

Von daher wurde die Satzungsklausel für unwirksam erachtet. Gleiches dürfte für entsprechende Regelungen deutscher Unternehmen gelten, wonach einer Person ab einem bestimmten Alter eine entsprechende Funktion nicht mehr zu übertragen ist.

Folgen der Entscheidung für die Vertragsgestaltung

Die Entscheidung wirkt sich aber nicht nur auf die Frage aus, ob in einem bestimmten Alter noch eine entsprechende Funktion übernommen werden kann, sondern auch auf die Frage, ob wegen der Erreichung eines bestimmten Alters eine Funktion abgegeben werden muss. Wenn die Richtlinie 2000/78 den Zugang zu einer bestimmten Funktion altersunabhängig gewährleistet, stehen ab jetzt alle Altersbegrenzungsklauseln in bestehenden Verträgen auf dem Prüfstein der nationalen Gerichtsbarkeit. Es spricht viel dafür, dass Klauseln in Dienstverträgen mit Vorständen und Geschäftsführern unwirksam sind, die auf eine Beendigung des Vertragsverhältnisses wegen Erreichung eines bestimmten Lebensalters gerichtet sind.

Die nationalen Gerichte sind an die Auslegung des EU-Rechts durch den Europäischen Gerichtshof gebunden. Das Verbot, wegen des Alters zu benachteiligen, findet sich nicht nur in der oben genannten Richtlinie, sondern auch in Art. 19 AEUV und in Art. 21 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta.

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