Sind Geschäftsführer Arbeitnehmer?
Das Bundesarbeitsgericht hat mit einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 20. Juli 2023 (6 AZR 228/22) wieder einmal in die Diskussion eingegriffen, ob Geschäftsführer zur Gesellschaft in einem Dienstverhältnis oder einem Arbeitsverhältnis stehen.
Der Bundesgerichtshof geht in jahrzehntelanger Rechtsprechung davon aus, dass Geschäftsführer keine Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne sind, vielmehr das Vertragsverhältnis als Dienstverhältnis zu qualifizieren ist.
Der Europäische Gerichtshof vertritt, jedenfalls in Bezug auf Fremdgeschäftsführer, die Auffassung, dass Fremdgeschäftsführer in der Anwendung von EU-Normen Arbeitnehmer sind, sofern die Richtlinie nicht auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff verweist.
Sowohl der Bundesgerichtshof wie auch das Bundesarbeitsgericht lehnen es konsequent ab, den europäischen Arbeitnehmerbegriff gleichzusetzen mit dem nationalen Arbeitnehmerbegriff mit der Folge, dass je nach rechtlicher Fragestellung Fremdgeschäftsführer als Arbeitnehmer oder als freie Dienstnehmer zu qualifizieren sind.
In dem jetzt vorliegenden Fall ging es um die Frage, ob die Bestimmungen zum Betriebsübergang auf Geschäftsführer anzuwenden sind. In diesem Kontext hat das Bundesarbeitsgericht folgende Kernaussagen getroffen:
- Auch wenn ein Geschäftsführer auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses für das Unternehmen tätig ist, kann dieser Geschäftsführer keinen Kündigungsschutz in Anspruch nehmen wegen der in § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG geregelten negativen Funktion. Danach findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung auf Mitglieder des Organs. Es kommt also nur darauf an, ob im Zeitpunkt der Kündigung der Geschäftsführer noch zum Geschäftsführer bestellt war oder nicht. Es kommt nicht auf das zugrundeliegende Rechtsverhältnis (Arbeits- oder Dienstverhältnis) an. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zugang der Kündigung.
- Der europäische Arbeitnehmerbegriff ist im Anwendungsbereich des § 613a BGB nicht maßgeblich. Obgleich § 613a BGB auf der Richtlinie 2001/23/EG beruht, findet der europäische Arbeitnehmerbegriff bei der Anwendung von § 613a BGB keine Anwendung. Dies rechtfertigt sich aus der Richtlinie selbst, da Art. 2 Abs. 1 d) bestimmt, dass bei der Anwendung der nationale Arbeitnehmerbegriff heranzuziehen ist.
- Entgegen aller bisheriger Urteile soll das Rechtsverhältnis eines Geschäftsführers ein Arbeitsverhältnis sein, wenn der Geschäftsführer vor seiner Bestellung zum Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Unternehmen tätig war und im Zuge der Bestellung zum Geschäftsführer keine Änderung am Arbeitsvertrag vorgenommen wird.
Nach der Letzten der hier dargestellten Kernaussagen ist Folgendes festzuhalten:
Wird eine bisher nicht im Unternehmen beschäftigte Person zum Geschäftsführer bestellt und mit dieser ein Vertrag abgeschlossen, ist dieser Vertrag als Dienstvertrag zu qualifizieren.
Gleiches gilt dann, wenn schon eine im Betrieb beschäftigte Person zum Geschäftsführer bestellt wird und in diesem Kontext ein neuer schriftlicher Vertrag abgeschlossen wird. Im Abschluss eines neuen Vertrages ist auch die Aufhebung des Arbeitsvertrages zu sehen. Das Rechtsverhältnis ist dann als Dienstverhältnis zu qualifizieren.
Wird eine im Unternehmen schon beschäftigte Person zum Geschäftsführer bestellt, ohne dass sich an der vertraglichen Regelung etwas ändert, besteht das Arbeitsverhältnis fort.
Für die Praxis ergeben sich für Unternehmen folgende Handlungsempfehlungen:
- Bei der Kündigung eines Geschäftsführers sollte darauf geachtet werden, dass die Kündigungserklärung dem Geschäftsführer zugeht, bevor der Geschäftsführer von seinem Amt als Geschäftsführer abberufen wird. Auf diese Weise wird die Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes ausgeschlossen.
- Wird ein Mitarbeiter zum Geschäftsführer bestellt, ist ein neuer Vertrag abzuschließen, der inhaltlich von dem bisherigen Arbeitsvertrag abweicht. Um allen Auslegungsschwierigkeiten zu begegnen, sollte sich in dem neuen Vertrag eine Klausel finden, wonach das bestehende Arbeitsverhältnis mit Abschluss dieses Dienstvertrages aufgehoben wird.