Haftungsfalle beA: Rechtsmittel formgerecht einlegen

Das BAG beschäftigte sich in seinem Beschluss vom 5. Juni 2020 (10 AZN 53/20) mit den Formvoraussetzungen des elektronischen Rechtsverkehrs nach § 130a ZPO.

Der Sachverhalt

Der Kläger wehrte sich erfolglos in zwei Instanzen gegen seine Versetzung. Das Berufungsurteil ging ihm am 02. Januar 2020 zu. Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 21. Januar 2020 – beim BAG als elektronisches Dokument am 22. Januar 2020 eingegangen – per beA Nichtzulassungsbeschwerde ein. Eine qualifizierte elektronische Signatur (qeS) nutzte er nicht. Da im Transfervermerk ein vertraulicher Herkunftsnachweis (VHN) fehlte, wies das BAG den Kläger am 29. Januar 2020 darauf hin, dass die gesetzlichen Formvorschriften nicht gewahrt sind. Am 03. Februar 2020 reichte der Kläger erneut Nichtzulassungsbeschwerde per beA ein – wieder ohne qeS. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde übermittelte er am 02. März 2020 sowohl als elektronisches Dokument aus einem beA ohne qeS als auch per Fax.

Wie ein Rechtsmittel formgerecht einlegen?

Das BAG skizzierte die Voraussetzungen, unter denen ein Schriftsatz als elektronisches Dokument formwahrend eingereicht werden kann. Ausgangspunkt bilden die wortgleichen Vorschriften in § 130a ZPO (gilt vor dem LAG und BAG) und § 46c ArbGG (gilt vor dem ArbG). Das Gesetz sieht zwei Varianten vor. Der Anwalt kann das elektronische Dokument mit einer qeS versehen und auf einem der in § 130a Abs. 4 ZPO genannten sicheren Übermittlungswege oder mittels EGVP (Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach) bei Gericht einreichen (§ 4 Abs. 1 ERVV). Fehlt eine qeS und ist der Schriftsatz nur einfach signiert, indem an dessen Ende die Unterschrift des verantwortenden Anwalts angebracht ist, ist die Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges zwingend. Dazu zählt der Übermittlungsweg zwischen beA und EGVP.

Das BAG hat klargestellt, dass die Form des § 130a Abs. 3 ZPO nur gewahrt ist, wenn der Anwalt, der den Schriftsatz einfach signiert hat, diesen auch tatsächlich aus seinem beA versendet hat (so bereits OLG Braunschweig 8. April 2019 – 11 U 146/18 und ArbG Lübeck 19. Juni 2019 – 6 Ca 679/19). Zwischen dem signierenden Anwalt und dem beA-Postfachinhaber muss Personenidentität bestehen. Erfolgt die Versendung durch eine andere Person als den beA-Postfachinhaber (z.B. Sekretariat), ist der Schriftsatz beim Gericht nicht formgerecht eingegangen.

Wie prüft das Gericht die Form?

Das Gericht muss von Amts wegen prüfen, ob das Rechtsmittel formgerecht eingelegt wurde. Wie das bei einem Rechtsmittel abläuft, das als elektronisches Dokument eingereicht wurde, hat das BAG anschaulich erläutert. Ob der Anwalt, der den Schriftsatz einfach signiert hat, diesen selbst versendet hat, wird anhand des VHN geprüft. Dieser ist im EGVP-Transfervermerk und im EGVP-Prüfprotokoll sichtbar. Nur wenn der Inhaber des beA-Postfachs den einfach signierten Schriftsatz selbst übermittelt, taucht dort das Feld „Informationen zum Übermittlungsweg“ mit dem Hinweis „sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“ auf.

Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis?

Das BAG gewährte dem Kläger von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Voraussetzung für die Wiedereinsetzung ist eine unverschuldete Fristversäumnis. Das BAG ließ offen, ob den Anwalt des Klägers ein Verschulden trifft, welches dem Kläger zuzurechnen ist. Das sei aber naheliegend, weil der Anwalt die Form des § 130a ZPO nicht eingehalten habe. Darauf komme es aber nicht an. Die Fristversäumnis beruhe wesentlich darauf, dass das Gericht seine prozessuale Fürsorgepflicht verletzt habe, weil es den Kläger nicht darauf hingewiesen habe, dass die eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde nicht den gesetzlichen Formvorgaben entspreche. Wiedereinsetzung ist dem BAG zufolge zu bewilligen, wenn das Gericht im ordnungsgemäßen Geschäftsgang den Hinweis so rechtzeitig hätte erteilen können, dass die Partei das Rechtsmittel noch vor Fristablauf hätte formgereicht einlegen können. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung war entbehrlich, weil der Kläger die versäumte Prozesshandlung – die formwirksame Beschwerdeeinlegung – nachgeholt hat (§ 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Diese ist inzident in der Beschwerdebegründung enthalten, welche per Fax formgerecht eingereicht wurde.

Folgen für die Praxis

Die Formvoraussetzungen des elektronischen Rechtsverkehrs gehören zur Pflichtlektüre eines Anwalts. Das gilt spätestens dann, wenn ab dem 01. Januar 2022 die aktive Nutzungspflicht für das beA beginnt. In Schleswig-Holstein besteht diese bereits seit dem 01. Januar 2020.

Zur Verringerung von Haftungsrisiken sollten alle und nicht nur die formgebundenen Schriftsätze mit der qeS des beA-Postfachinhabers versehen und per beA übermittelt werden. Dadurch ist die Form des § 130a Abs. 4 ZPO gewahrt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schriftsatz aus dem beA-Postfach des Anwalts versendet wird, der den Schriftsatz signiert hat (BAG 24. Oktober 2019 – 8 AZN 589/19). Die Nutzung der qeS hat einen weiteren Vorteil: Sind im Schriftsatz materiell-rechtliche Willenserklärungen enthalten, die der Schriftform gemäß § 126 BGB unterliegen, sind diese unwirksam, wenn der Schriftsatz nur einfach signiert ist. Hingegen kann die Schriftform durch eine qeS ersetzt werden (§ 126a BGB).

Im eigenen Interesse sollte der Anwalt Rechtsmittel per beA rechtzeitig vor Fristablauf einreichen. Geht das Rechtsmittel so spät ein, dass im ordnungsgemäßen Geschäftsgang kein Hinweis auf die fehlerhafte Form zu erwarten ist, ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen. Das Gericht muss die Formalia des eingelegten Rechtsmittels nicht sofort, aber innerhalb einer angemessenen Zeit prüfen. Im vorliegenden Fall ging die Nichtzulassungsbeschwerde zwölf Kalendertage bzw. acht Arbeitstage vor Fristablauf ein. Das war laut BAG ausreichend.

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