Unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen – ein Indiz für Diskriminierung?

Das Entgelttransparenzgesetz

Das am 06. Juli 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) verfolgt das Ziel, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten. Bislang führte das Gesetz in der unternehmerischen Praxis nur ein Schattendasein. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Dazu haben vor allem der unausgereifte und unnötig komplizierte Gesetzesaufbau sowie das undurchsichtige Auskunftsverfahren beigetragen. Allerdings dürfte das Entgelttransparenzgesetz durch das aktuelle Urteil des BAG vom 21. Januar 2021 (8 AZR 488/19) an Schlagkraft gewonnen haben. Die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Aber die vom BAG veröffentlichte Pressemitteilung lässt aufhorchen.

Zum Hintergrund: Der Auskunftsanspruch

Zentrales Instrument zur Durchsetzung der Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern ist ein Auskunftsanspruch (§ 10 EntgTranspG). Mit diesem können Arbeitnehmer die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung (§ 11 Abs. 2 EntgTranspG) erfragen. Außerdem erstreckt sich die Auskunft auf das Vergleichsentgelt (§ 11 Abs. 3 EntgTranspG). Hierbei handelt es sich um den statistischen Median – und nicht etwa um den rechnerischen Durchschnitt – der Entgelte, welche die Arbeitnehmer des anderen Geschlechts für die gleiche oder vergleichbare Tätigkeit erhalten. Dabei wird aber nicht das gesamte Entgelt der Vergleichspersonen, sondern nur das durchschnittliche monatliche Bruttoentgelt sowie zwei weitere Entgeltbestandteile, die der Arbeitnehmer vorab benennen muss, berücksichtigt. Soweit die Vergütung aus weiteren Entgeltbestandteilen besteht, sind diese vom Auskunftsanspruch ausgenommen. Der statistische Median ist auf Vollzeitäquivalente hochzurechnen, um eine Vergleichbarkeit der Entgelte zu ermöglichen.

Die Entscheidung des BAG

Die Klägerin war Abteilungsleiterin und erhielt von ihrer Arbeitgeberin (Beklagte) nach § 10 EntgTranspG die Auskunft, dass das – als Median angegebene –Vergleichsentgelt der männlichen Abteilungsleiter sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Klägerin lag. Daraufhin klagte die Klägerin die Differenz zwischen ihrem Grundentgelt und ihrer Zulage sowie den ihr mitgeteilten höheren Median-Entgelten ein.

Das LAG Niedersachen (Urteil vom 1. August 2019 – 5 Sa 196/19) war der Auffassung, dass die im Wege des Auskunftsanspruchs erlangte Information, dass das Entgelt der Klägerin den Median der männlichen Vergleichsgruppe unterschreitet, kein Indiz im Sinne des § 22 AGG darstelle, welches eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lasse. Zur Begründung führte es an, dass die Auskunft keine Information über die Durchschnittswerte des eigenen oder des anderen Geschlechts enthalte.

Die anschließende Revision der Klägerin beim BAG hatte Erfolg. Das BAG nahm an, dass die Klägerin eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG erfahren habe, da ihr Entgelt geringer war als das der Vergleichsperson. Darin sah das BAG zugleich gem. § 22 AGG ein Indiz dafür, dass die Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt sei. Ob die Beklagte die Vermutung der Benachteiligung wegen des Geschlechts widerlegen kann, wofür die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trage, konnte das BAG anhand der Feststellungen des LAG Niedersachsen nicht beurteilen. Daher verwies es die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück an die Vorinstanz.

Ist die Entscheidung auf Arbeitgeber übertragbar, die nach Tarif bezahlen?

Ein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot des § 7 EntgTranspG scheidet aus, wenn der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag für den betroffenen Arbeitnehmer eine geringere Vergütung als für einen vergleichbaren Arbeitnehmer vorsieht. So hat das LAG Berlin-Brandenburg entschieden (Urteil vom 12. November 2019 – 7 Sa 1086/19). In diesem Fall beruht die schlechtere Bezahlung nicht auf dem Geschlecht, sondern auf der Anwendung tariflicher Normen.

Führt auch eine fehlerhafte oder unterbliebene Auskunft zur Beweislastumkehr?

Dem vom BAG zu entscheidenden Fall lag die Konstellation zugrunde, dass der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Auskunft erteilt hat, aus der hervorging, dass das Entgelt der Klägerin hinter dem Median-Entgelt zurückbleibt. Folglich kam die Klägerin in den Genuss der Beweislastumkehr gem. § 22 AGG.

Zu einer Beweislastumkehr kommt es aber auch dann, wenn der Arbeitgeber die Auskunft insgesamt verweigert. Ausgangspunkt ist die etwas versteckte Vorschrift des § 15 Abs. 5 EntgTranspG. Danach trägt der Arbeitgeber im Streitfall die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot vorliegt, wenn er die Erfüllung seiner Auskunftspflicht unterlässt. Gelingt dem Arbeitgeber der Gegenbeweis nicht, kann der Arbeitnehmer das höhere Entgelt beanspruchen. Der Gesetzgeber weist darauf hin, dass sich § 15 Abs. 5 EntgTranspG an § 22 AGG orientiert (BT-Drucks. 18/11133 S. 66). Daran wird ersichtlich, dass die Nichterfüllung des Auskunftsanspruchs als Indiz für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung zu werten ist.

Da das Gesetz die Beweislastumkehr ausdrücklich nur beim Unterlassen der Auskunftserteilung anordnet, liegt die Darlegungs- und Beweislast weiterhin beim Arbeitnehmer, wenn die vom Arbeitgeber erteilte Auskunft falsch oder unvollständig ist. Umstritten ist aber, ob jedenfalls eine offensichtlich falsche oder unvollständige Auskunft die Beweislastumkehr auslöst und als Indiz im Sinne des § 15 Abs. 5 EntgTranspG die Vermutung einer Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts begründet.

Gilt die Beweislastumkehr des § 15 Abs. 5 EntgTranspG für alle Arbeitgeber?

Das EntgTranspG differenziert zwischen tarifgebundenen (vgl. § 5 Abs. 4 EntgTranspG) und tarifanwendenden (vgl. § 5 Abs. 4 EntgTranspG) Arbeitgebern sowie solchen Arbeitgebern, die nicht tarifgebunden bzw. tarifanwendend sind. Hintergrund ist die im Gesetz angelegte Privilegierung der tarifgebundenen und tarifanwendenden Arbeitgeber. Beispielsweise können diese ihre Pflicht zur Auskunft über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung bereits dadurch erfüllen, dass sie die tarifvertraglichen Entgeltregelungen angeben und mitteilen, wo diese einzusehen sind.

Die Differenzierung setzt sich auch beim Verfahren der Auskunftserteilung fort. Die Vorschrift des § 15 EntgTranspG, welche das Verfahren für nicht tarifgebundene und nicht tarifanwendende Arbeitgeber regelt, bestimmt in Abs. 5 eine Beweislastumkehr, wenn der Arbeitgeber die Auskunft unterlässt. In § 14, welcher das Auskunftsverfahren für tarifgebundene und tarifanwende Arbeitgeber vorgibt, fehlt eine § 15 Abs. 5 EntgTranspG entsprechende Vorschrift. Teilweise wird vertreten, dass es sich hierbei um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handele. Das habe zur Folge, dass auch die tarifgebundenen bzw. tarifanwendenden Arbeitgeber nicht von der Beweislastumkehr ausgenommen werden sollen. Näher liegt der Schluss, dass auch an dieser Stelle die tarifgebundenen bzw. tarifanwendenden Arbeitgeber privilegiert werden sollen. Daher droht ihnen keine Beweislastumkehr, wenn sie die Auskunft nicht erteilen.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des BAG wird Signalwirkung haben. Es ist zu erwarten, dass zahlreiche Arbeitnehmer dem Beispiel der Klägerin folgen und sich mit einer Entgeltgleichheitsklage dagegen wehren, dass ihre Vergütung geringer ist als das Median-Entgelt der Vergleichsgruppe. Dabei dürfte ausschlaggebend sein, dass sich das Prozessrisiko auf den Arbeitgeber verlagert hat, da dieser aus Sicht des BAG die Vermutung einer Entgeltungleichbehandlung widerlegen muss. Ob die Urteilsbegründung die Anforderungen an die Widerlegung der Vermutung konkretisiert, wird sich zeigen. Arbeitgeber sind gut beraten, die Gründe für Gehaltsunterschiede zu dokumentieren.

 

 

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