Entgeltfortzahlung bei Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzprozess
Für die Arbeitgeber ist es immer besonders ärgerlich, wenn einem Mitarbeiter gekündigt wurde und das Urteil I. Instanz erst einmal zu Gunsten des Arbeitnehmers ergangen ist. Häufig verbindet der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage mit einem sogenannten Weiterbeschäftigungsantrag. Mit dem Weiterbeschäftigungsantrag kann der Arbeitnehmer durchsetzen, dass er unmittelbar nach einem obsiegenden Urteil, aber auch schon lange vor Rechtskraft die Weiterbeschäftigung im Betrieb durchsetzen kann. Für den Arbeitgeber ist dies unter mehreren Gesichtspunkten ärgerlich, zum einen weil der Arbeitnehmer, den man im Grunde nicht mehr im Betrieb haben wollte, wieder integrieren muss, zum anderen weil ein Gesichtsverlust gegenüber der Belegschaft droht oder Konflikte, weil die Kolleginnen und Kollegen im Grunde ganz froh waren, dass der gekündigte Arbeitnehmer nicht mehr im Betrieb ist.
Das Bundesarbeitsgericht hat den Arbeitgebern mit Urteil vom 27. Mai 2020 (5 AZR 247/19) den Rücken gestärkt. Im dortigen Verfahren ging es um die Frage, ob ein Arbeitnehmer, der sich in der Weiterbeschäftigungsphase befindet und erkrankt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat. Das Bundesarbeitsgericht hat dies verneint und argumentiert, dass die gerichtlich durchgesetzte Weiterbeschäftigung nicht dazu führe, dass ein Arbeitsverhältnis entsteht. Vielmehr sei dem Arbeitgeber lediglich die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses auferlegt. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall könne jedoch nur ein Arbeitnehmer beanspruchen und nicht die Person, die nur aufgrund eines Weiterbeschäftigungsurteils arbeitet.
Der wirklich wichtige Satz in diesem Urteil lautet:
Aus den Rechtsgrundlagen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs lässt sich nichts für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses als Rechtsgrundlage eines Vergütungsanspruchs herleiten. […] Das materielle, auf die Erlangung von Arbeitsentgelt gerichtete Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers ist nach der Kündigung durch § 615 BGB gesichert.
Wer als Arbeitgeber diese Sätze verinnerlicht nimmt dem Arbeitnehmer bei der Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs den Wind aus den Segeln. Der Arbeitgeber ist nämlich während der Dauer der Weiterbeschäftigung nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer Arbeitsentgelt zu bezahlen. Der Arbeitnehmer hat nur das Recht, zu arbeiten. Ob der Arbeitnehmer später Entgelt beanspruchen kann, wird sich zeigen, wenn der Kündigungsschutzprozess rechtskräftig abgeschlossen ist. Wenn aber ein Arbeitnehmer keine Vergütung erwarten kann, wird er das Interesse an der Durchsetzung des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verlieren.