Neue Regeln für die Gesetzgebung im katholischen Arbeitsrecht

Die Befugnis der Kirchen zum Erlass arbeitsrechtlicher Regelungen

Die verfassten Kirchen erlassen für die im kirchlichen Dienst bestehenden Arbeitsverhältnisse eigene arbeitsrechtliche Regelungen. Hierzu sind sie aufgrund ihres in Art. 137 WRV i.V.m. Art. 140 GG verbürgten Selbstbestimmungsrechts befugt. Um eine Zersplitterung des Arbeitsrechts in den 27 (Erz-)Diözesen zu vermeiden, kann der Verband der Diözesen Deutschlands Rahmenordnungen erlassen. So geschehen etwa bei der Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretung oder bei der Rahmen-KODA-Ordnung. Die Rahmenordnung wird aber erst verbindliches Recht, wenn sie von den einzelnen (Erz-)Bischöfen für ihre jeweilige (Erz-)Diözese in Kraft gesetzt werden. Die Deutsche Bischofskonferenz hat grundsätzliche keine Gesetzgebungskompetenz mit Wirkung für die (Erz-)Diözesen. Etwas anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn die Deutsche Bischofskonferenz aufgrund eines Mandats des Apostolischen Stuhls ausdrücklich für den Erlass von Regelungen mandatiert wird. So verhielt es sich beim Erlass der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO).

Einführung eines Gesetzgebungsverfahrens

Bemerkenswert ist, dass das Gesetzgebungsverfahren bislang nicht geregelt war. Das hat sich nun geändert. Die Vollversammlung des Verbands der Diözesen Deutschlands beschloss am 21. Juni 2022 die zum 01. September 2022 in Kraft getretene „Ordnung über das Zustandekommen von arbeitsrechtlichen Regelungen auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz“. Ziel der Ordnung ist es, ein transparentes und rechtssicheres Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Arbeitsrechts zu schaffen. Kirchliche institutionen und Gremien sowie die Dienstgeber- und Mitarbeiterseite sollen frühzeitig in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden werden.

Die neuen Regeln zur Gesetzgebung gelten nur für das Zustandekommen von Normtexten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, soweit diese von der Deutschen Bischofskonferenz oder dem Verband der Diözesen Deutschlands erlassen werden. Unter Normtexten sind alle Regelungen zu verstehen, welche die Rechte und Pflichten der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter betreffen. Dazu zählen auch die Rahmen-Ordnungen. Die Verfahrensregeln gelten nicht für Beschlüsse von arbeitsrechtlichen Kommissionen. Der „Dritte Weg“ soll durch die Ordnung nicht berührt werden.

Wie soll das in der Ordnung vorgeschriebene Verfahren zum Erlass von Normtexten genau ablaufen?

Einbringung von Regelungsentwürfen

Das Verfahren wird eingeleitet, indem ein Antrag auf Erlass eines arbeitsrechtlichen Normtextes gestellt wird. Der Antrag muss eine begründete Beschreibung des Regelungsbedarfs oder einen begründeten Regelungsentwurf enthalten. Initiativberechtigt sind folgende kirchlichen Amtsträger, Institutionen und Gremien:

  • Diözesanbischöfe
  • Personalwesenkommission
  • Arbeitsrechtsausschuss der Zentralen Arbeitsrechtlichen Kommission (ARA)
  • arbeitsrechtlichen Kommissionen
  • Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK)
  • Deutscher Caritasverband (DCV)
  • Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (BAG-MAV)
  • Verband der Diözesen Deutschlands (VDD)

Der weitere Gang des Gesetzgebungsverfahren hängt vom Verbandsrat des Verbands der Diözesen Deutschlands ab, der mit Zwei-Drittel-Mehrheit entscheidet. Lehnt er einen Regelungsbedarf ab, was zu begründen ist, ist das Regelungsverfahren beendet. Bejaht er einen Regelungsbedarf, setzt er eine Arbeitsgruppe ein, die einen Regelungsentwurf ausarbeiten soll.

In den Arbeitsgruppen müssen alle relevanten kirchlichen Institutionen und Gremien berücksichtigt werden, etwa Vertreter der Dienstnehmer- und Dienstgeberseite der arbeitsrechtlichen Kommissionen sowie Vertreter kirchlicher Verbände (z.B. Deutscher Caritasverband). Die Institutionen und Gremien werden rechtzeitig über die Beratungsergebnisse der Arbeitsgruppe informiert.

Erster Regelungsentwurf

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe müssen sich nach eingehender Beratung mit breiter Zustimmung auf einen Regelungsentwurf verständigen. Bleibt eine Verständigung aus, ist das Gesetzgebungsverfahren beendet. Kommt eine Verständigung zustande, wird ein Anhörungsverfahren durchgeführt, in dem festgestellt werden soll, ob das angestrebte Ziel der Regelungsinitiative erreicht wurde.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens können mit Ausnahme des Verbands der Diözesen Deutschlands die kirchlichen Amtsträger, Institutionen und Gremien zum ersten Regelungsentwurf Stellung nehmen, die ein Initiativrecht haben. Außerdem steht der Arbeitsgemeinschaft caritativer Unternehmen (AcU) ein Anhörungsrecht zu. Zudem können die kirchlichen Institutionen und Gremien am Anhörungsverfahren beteiligt werden, die von dem Regelungsentwurf sachlich betroffen sind.

Die Arbeitsgruppe bespricht jede Stellungnahme und ändert bei Vorliegen einer breiten Zustimmung den Regelungsentwurf. Sie muss begründen, warum Änderungsvorschläge modifiziert oder abgelehnt wurden. Sie kann auch gutachterliche Stellungnahmen von Sachverständigen einholen.

Zweiter Regelungsentwurf

Auf der Grundlage der konsentierten Stellungnahmen erarbeitet die Arbeitsgruppe einen zweiten, konsolidierten Regelungsentwurf. Kann sich die Arbeitsgruppe auf einen solchen nicht verständigen, ist das Regelungsverfahren beendet. Erfolgt eine Verständigung, besteht der nächste Schritt darin, dass die Arbeitsgruppe den zweiten Regelungsentwurf – ggf. nebst weiteren Unterlagen wie einem Erläuterungstext – verschiedenen kirchlichen Institutionen und Gremien zuleitet. Insbesondere wird der Regelungsentwurf der Vollversammlung des Verbands der Diözesen Deutschlands zur Beratung und Beschlussfassung zugeleitet.

Beschleunigtes Verfahren

In dringenden, nicht vorhersehbaren Ausnahmefällen ist ein beschleunigtes Regelungsverfahren möglich. Dieses sieht vor, dass ein Regelungsentwurf vom Verband der Diözesen Deutschlands in Abstimmung mit den Vorsitzenden der Personalwesenkommission sowie der Zentralen Arbeitsrechtlichen Kommission erarbeitet wird. Von der Regelungsmaterie besonders betroffene Institutionen und Gremien sollen angehört werden. Soweit mitarbeitervertretungsrechtliche Themen geregelt werden, ist der Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen anzuhören.

Regelungen, die im beschleunigten Verfahren zustande gekommen sind, sind auf höchstens ein Jahr zu befristen, wobei eine einmalige Verlängerung um ein Jahr zulässig ist.

Ausblick

Das die katholische Kirche die Zeichen der Zeit erkannt und den Erlass künftiger arbeitsrechtlicher Regelungen in einem transparenten und geordneten Verfahren durchführt, ist zu begrüßen. Der Verband der Diözesen Deutschlands wird die Ordnung im Jahr 2027 evaluieren. Dann zeigt sich, welchen Nutzen die Ordnung hat.

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