Freistellung unter Urlaubsanrechnung auch bei fristloser Kündigung?

Beim Ausspruch einer ordentlichen Kündigung werden Arbeitnehmer häufig unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist freigestellt. Damit soll – unter anderem – vermieden werden, dass nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG noch Urlaubsansprüche finanziell abgegolten werden müssen. Doch besteht diese Möglichkeit auch beim Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund? Mit dieser Frage hat sich das BAG in seiner Entscheidung vom 25. August 2020 (9 AZR 612/19) befasst.

Grundlagen

Die Freistellung des Arbeitnehmers wird in der Regel schon mit der (ordentlichen) Kündigung erklärt und kann beispielsweise wie folgt formuliert werden:

„Sie werden ab sofort unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung und unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Erbringung der Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt.“

Nach ständiger Rechtsprechung des für Urlaubsfragen zuständigen 9. Senats des BAG ist eine solche Erklärung, mit der bestehende Urlaubsansprüche durch die einseitige Freistellung des Arbeitgebers angerechnet werden, zulässig (BAG 25. August 2020 – 9 AZR 612/19; BAG 10. Februar 2015 – 9 AZR 455/13). Voraussetzung für die Urlaubsanrechnung ist es allerdings, dass die Freistellung unwiderruflich erfolgt. Nur wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ohne Vorbehalt von der Arbeitspflicht befreit, kann dieser die dadurch gewonnene Freizeit uneingeschränkt nutzen, ohne befürchten zu müssen, während der Freistellung zur Arbeitsleistung einbestellt zu werden. Der Zweck des Urlaubs, sich von Arbeit zu erholen, wird erfüllt.

Die Entscheidung des BAG vom 25. August 2020

Fraglich ist allerdings, ob eine Anrechnung von Urlaub auch dann in Betracht kommt, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungfrist endet. Dies erscheint zunächst widersinnig, weil das Arbeitsverhältnis bei einer fristlosen Kündigung naturgemäß unmittelbar endet und damit zugleich die Möglichkeit zur Freistellung entfällt. Eine solche Konstellation lag der Entscheidung vom  25. August 2020 (9 AZR 612/19) zugrunde. Der Arbeitgeber sprach eine außerordentliche, hilfsweise ordentlich Kündigung aus und verband das Kündigungsschreiben mit folgender Formulierung:

„Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihren bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab.

Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt folgendes:

Sie werden Ihren sämtlich noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19.09.2017 bis 11.10.2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In diesem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu.“

Der 9. Senat hat dieses Vorgehen für zulässig gehalten und klargestellt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit dieser Formulierung Urlaub gewähren und anrechnen kann. Dem Arbeitgeber stehe es frei, den Urlaub auch vorsorglich für den Fall zu gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst und damit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Rechtstreit noch offen ist, ob der Arbeitgeber Urlaubsentgelt oder Urlaubsabgeltung schuldet. Voraussetzung hierfür sei es aber, dass der Arbeitgeber trotz der Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch eine Freistellungserklärung eindeutig zum Ausdruck bringt, dass er den Arbeitnehmer zur Erfüllung des Erholungsurlaubs endgültig von der Arbeitspflicht befreit. Zudem verlangt der 9. Senat,  dass das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs gezahlt oder die Zahlung vorbehaltlos zugesagt wird. Nur dadurch werde dem Arbeitnehmer die nötige Klarheit gegeben.

Mit der Festlegung des Urlaubszeitraums und der Zusage des Urlaubsentgelts habe der Arbeitgeber alles seinerseits Erforderliche getan hat. Danach eintretende Störungen des Urlaubs fallen nach Ansicht des BAG in die Risikosphäre des Arbeitnehmers. Dies gilt auch für während des Urlaubs eintretende sozialversicherungsrechtliche Handlungsobliegenheiten, die für den Bezug von Arbeitslosengeld erforderlich sind.

Fazit

Muss der Arbeitgeber besorgen, dass eine von ihm ausgesprochene fristlose Kündigung der gerichtlichen Überprüfung möglicherweise nicht standhält kann die vorsorgliche Freistellung unter Anrechnung von Resturlaubsansprüchen in Betracht gezogen werden. Ist die fristlose Kündigung unwirksam und kommt anstelle dessen eine hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zum Tragen, so kann der Arbeitgeber die Pflicht zur finanziellen Urlaubsabgeltung durch seine vorsorgliche Erklärung verhindern. Ist die fristlose Kündigung hingegen wirksam, hat der Arbeitgeber mit der vom 9. Senat vorausgesetzten Zahlung des Urlaubsentgelts seine Verpflichtung zur finanziellen Urlaubsabgeltung faktisch schon erfüllt. Einer Rückforderung beim Arbeitnehmer bedarf es nicht.

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