Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis – Bußgeldrisiko in Millionenhöhe?

Fast drei Jahre sind vergangen seitdem Unternehmen in der Europäischen Union die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachten müssen. Nun scheint die von den Datenschutz-Aufsichtsbehörden zunächst gewährte Schonzeit für die Umsetzung des „neuen Datenschutzrechts“ endgültig vorbei zu sein. Im vergangenen Jahr 2020 hatte schon das rund 35 Euro Millionen schwere Bußgeld zulasten der Modekette H&M für große öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt. Im Januar 2021 hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen mit einem zweistelligen Millionen-Bußgeld nachgelegt. Die notbooksbilliger.de AG muss laut Pressemitteilung des LfD vom 08. Januar eine Geldbuße in Höhe von 10,4 Millionen Euro bezahlen, weil sie über die Dauer von mindestens zwei Jahren ihre Beschäftigten per Video an Arbeitsplätzen, in den Verkaufsräumen der Filialen sowie in Lagern und Aufenthaltsbereichen überwacht haben soll, ohne dass hierfür eine taugliche Rechtsgrundlage vorlag.

Die Bußgelder sind ein Warnsignal für Arbeitgeber, den Beschäftigtendatenschutz nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und vor allem die Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen auf einer strengen Revision zu unterziehen. Der nachfolgende Beitrag erläutert aus dem aktuellen Anlass die Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen im Beschäftigungsverhältnis am Beispiel der Videoüberwachung.

Was versteht man unter einer Videoüberwachung?

Eine Videoüberwachung ist nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung in § 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) die „Beobachtung mit optisch-elektronischen Einrichtungen“. Unter optisch-elektronischen Einrichtungen sind alle Geräte zu verstehen, die sich zur Beobachtung eignen, ohne dass es auf den Einsatz bestimmter Technologien ankommt. Der technologieneutrale Begriff der Videoüberwachung erfasst gleichermaßen analoge und digitale Videotechnik, unabhängig davon, ob diese stationär oder mobil eingesetzt wird. Als „offene Videoüberwachung“ bezeichnet man die für die betroffenen Personen erkennbare Überwachung, während die „verdeckte Videoüberwachung“ eine heimliche Überwachungsmaßnahme umschreibt.

Auf welcher Rechtsgrundlage kann eine Videoüberwachung erfolgen?

Die Videoüberwachung kann auf Basis mehrerer Rechtsgrundlagen zulässig sein. Welche Rechtsgrundlage im Einzelfall einschlägig ist, hängt von dem mit der Videoüberwachung konkret verfolgten Zweck ab.

Die Generalklausel in § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG kommt in Betracht, wenn

  • Pflichtverletzungen von Beschäftigten aufgeklärt werden sollen, die keine Straftaten darstellen,
  • Pflichtverletzungen oder Straftaten von Beschäftigten verhindert werden sollen (Gefahrenprävention),
  • die Videoüberwachung zum Zwecke der Leistungskontrolle erfolgt, oder
  • die Videoüberwachung den Beschäftigten bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung unterstützt, z.B. bei der Überwachung technischer Arbeitsabläufe.

Die Spezialvorschrift in § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG ist anwendbar, wenn mithilfe der Videoüberwachung Straftaten von Beschäftigten aufgedeckt werden sollen.

Der Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO kann als Rechtsgrundlage für eine Videoüberwachung dienen, wenn Straftaten von Dritten, die keine Beschäftigten sind, aufgedeckt werden sollen oder die Videoüberwachung zur Wahrung berechtigter Interessen des Arbeitgebers erfolgt.

Schließlich kommt nach Art. 88 Absatz 1 DSGVO als Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung auch eine Betriebsvereinbarung in Betracht. Der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung von Videoüberwachungsanlagen ist nicht nur wegen des einschlägigen Mitbestimmungstatbestands in § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unbedingt anzuraten, sondern auch deshalb, weil dort die spezifischen betrieblichen Bedürfnisse der Videoüberwachung abgebildet werden können.

Neben diesen Vorschriften findet § 4 BDSG („Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume“) im Beschäftigungsverhältnis keine Anwendung, weil es hierfür an einem durch das Unionsrecht gewährten Regelungsspielraum des deutschen Gesetzgebers fehlt.

Wann ist eine offene Videoüberwachung zulässig?

Eine Videoüberwachung ist nach allen vorgenannten Vorschriften und auch auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung nur zulässig, wenn das Kontrollinteresse des Arbeitgebers das Persönlichkeitsrecht des oder der betroffenen Arbeitnehmer überragt. Entscheidend ist, ob die Videoüberwachung im Hinblick auf den konkreten Anlass das mildeste, gleich geeignete Überwachungsinstrument darstellt und, falls dies anzunehmen ist, ob die damit verbundene Eingriffsintensität noch als angemessen angesehen werden kann.

Kriterien für die Eingriffsintensität einer Videoüberwachung können beispielsweise sein:

  • Eingesetzte Videotechnik
  • Dauer und Zeitpunkt der Überwachung
  • Ort der Überwachung
  • Anzahl der betroffenen Personen

Videokameras, die den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz bei der Erbringung der Arbeitsleistung filmen, greifen regelmäßig stärker in das Persönlichkeitsrecht ein, als Kameras, die etwa im Eingangsbereich des Betriebs installiert sind. Bereiche, in denen die Intimsphäre der Betroffenen berührt sein kann (Toiletten, Umkleideräume etc.) dürfen keinesfalls gefilmt werden.

Je höher die Eingriffsintensität nach diesen Kriterien im Einzelfall einzustufen ist, desto gewichtiger muss das Überwachungsinteresse des Arbeitgebers sein. Dieses liegt häufig in der Wahrnehmung von bestehenden Rechten aus dem Arbeitsverhältnis. So kann eine Videoüberwachung grundsätzlich auch zum Zwecke der Leistungskontrolle oder zur Wahrnehmung des Weisungsrechts erfolgen. Eine anlasslose Kontrolle in dem Sinne, dass der Arbeitgeber schlicht überprüfen will, ob und wie gearbeitet wird, rechtfertigt eine Videoüberwachung aber nicht. Außerdem darf die Videoüberwachung in solchen Fällen nur stichprobenartig erfolgen. Eine lückenlose Dauerüberwachung ist wegen des damit verbundenen Überwachungsdrucks für die Beschäftigten unzulässig. Die Zulässigkeit einer Videoüberwachung kann am ehesten bejaht werden, wenn der Arbeitgeber diese zum Schutze seines Eigentums veranlasst. Hier kommt dem Arbeitgeber seine nach Art. 14 GG geschützte Grundrechtsposition zugute. Dennoch ist auch der Schutz des Eigentums in jedem Einzelfall mit dem Persönlichkeitsrecht der von der Videoüberwachung betroffenen Arbeitnehmer abzuwägen.

Welche Anforderungen bestehen bei einer heimlichen Überwachung?

Auf heimliche bzw. verdeckte Überwachungs- oder Kontrollmaßnahmen greifen Arbeitgeber typischerweise zurück, wenn schwerwiegende Pflichtverletzungen oder Straftaten aufgedeckt werden sollen. In diesem Fall bestehen besonders hohe Anforderungen an die Zulässigkeit der Videoüberwachung. Sie können nur in Betracht gezogen werden, wenn eine offene Videoüberwachung als milderes Mittel von vorne herein nicht vielversprechend ist und die verdeckte Überwachung sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt bleibt. Im Einzelnen gilt:

  • Es muss der Verdacht auf strafbare Handlungen oder andere schwere Verfehlungen bestehen.
  • Der Verdacht muss konkret, durch Tatsachen belegt und dokumentiert sein. Er muss sich auf eine bestimmte Person oder zumindest auf eine abgrenzbare Personengruppe beziehen. Allgemeine Vermutungen reichen nicht aus.
  • Es müssen alle weniger einschneidenden Mittel ausgeschöpft worden sein, bspw. andere Sicherheitsmaßnahmen wie eine elektronische Artikelsicherung. Es muss konkret dargelegt werden können, warum denkbar andere Maßnahmen nicht zum Erfolg führen.
  • Es muss eine Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls durchgeführt werden. Dabei ist neben der besonders hohen Eingriffsintensität der heimlichen Maßnahme z.B. auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit andere unbeteiligte Mitarbeiter (oder z.B. Fremdfirmen oder Besucher) betroffen sind.
  • Die Videoüberwachung darf nicht auch noch zur allgemeinen und nicht auf den konkreten Anlass bezogenen Leistungs- und Verhaltenskontrolle eingesetzt werden.
  • Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates müssen gewahrt sein.
  • Es muss eine Datenschutzfolgenabschätzung im Sinne von Art. 35 DSGVO erfolgt sein.

Heimliche Überwachung vs. Transparenzgebot

In der Fachliteratur wird zudem die Frage diskutiert, ob das datenschutzrechtliche Strukturprinzip der Transparenz gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO und die daraus resultierenden Informationspflichten des Arbeitgebers gemäß Art. 13 DSGVO und Art. 14 DSGVO einer heimlichen Überwachung von Beschäftigten generell entgegenstehen. Ein grundsätzliches Verbot heimlicher Überwachungsmaßnahmen wird teilweise damit begründet, dass diese regelmäßig gegen das Transparenzprinzip verstoßen würden und Art. 5 Abs.  Buchst. a DSGVO keine Ausnahmen vorsehe. Außerdem habe der deutsche Gesetzgeber (bislang) nicht von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf Grundlage von Art. 23 Abs. 1 DSGVO eine Abweichung/Ausnahme von dem Transparenzgebot im Hinblick auf die Zulässigkeit heimlicher Überwachungsmaßnahmen zu regeln.

Nach überzeugender Auffassung sind heimliche Überwachungsmaßnahmen aber auch unter der Geltung der DSGVO nicht generell verboten. Dafür spricht, dass das Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO zwischen dem Rechtsmäßigkeitsprinzip und dem Transparenzprinzip begrifflich unterscheidet. Diese Unterscheidung indiziert, dass nicht jeder Verstoß gegen das Transparenzprinzip zur Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung führen muss. Der Verstoß gegen das Transparenzprinzip ist aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zulasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, der, wenn er die beabsichtigte Überwachungsmaßnahme trotz des Verstoßes durchführen möchte, besonders gewichtige Gründe vorweisen können muss. Die Informationspflichten des Arbeitgebers aus Art. 13 DSGVO und Art. 14 DSGVO sind zudem durch den Ausnahmetatbestand des Art. 14 Abs. 5 Buchst. b DSGVO begrenzt. Danach ist eine Informationspflicht ausgeschlossen, wenn die Information die Verwirklichung der mit der Überwachung verfolgten Ziele unmöglich machen oder ernsthaft beeinträchtigen würde. Davon ist auszugehen, wenn eine offene Videoüberwachung als milderes Mittel nach den Umständen des Einzelfalls nicht in Betracht kommt.

Fazit

Schon vor dem Inkrafttreten der DSGVO hat das Bundesarbeitsgericht hohe Anforderungen vor allem an die Zulässigkeit von heimlichen Videoüberwachungsmaßnahmen gestellt. Die DSGVO und das novellierte BDSG knüpfen insoweit an die bisherige Rechtslage an, verschärfen diese aber nicht wesentlich. Wer Bußgeldrisiken oder eine Unverwertbarkeit der mithilfe einer Videoüberwachung gewonnenen Informationen im Arbeitsgerichtsprozess vermeiden will, muss die Voraussetzungen der Überwachung sorgsam prüfen. Wenn vor Ort ein Betriebsrat gewählt ist, ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung unbedingt zu empfehlen. Hierdurch können die speziellen Bedingungen im Betrieb abgebildet und ein datenschutzrechtlicher Erlaubnistatbestand geschaffen werden.

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